Die Festrednerin am 1. August, Lidia Räber, zeigte in ihrer Rede die Beziehung zwischen Heimat und Raumplanung auf. Im Folgenden ist die Rede auszugsweise zusammengefasst. Die vollständige Festrede wird demnächst auf der Internetseite des Birrwiler Verkehrsvereins nachzulesen sein.
In ihrer Rede erwähnt sie, dass sie bereits im Rahmen der Präsentation ihrer Masterarbeit in der Chileschür feststellte, dass den Berbuerinnen und Berbuer Ihr Dorf am Herzen liege und sie offen für Neues seien. Die Berbuer hätten sich mit grossem Engagement und vielen Ideen in die Diskussion eingebracht. Im ersten Teil ihrer Rede erklärt Lidia die Aufgaben und den Begriff der Raumentwicklung. Dabei zitiert sie Karl Friedrich von Weizsäcker, welcher die Raumplanung als Notwendigkeit definiert, den Raum der Freiheit zu planen. Dass heisse, die Planung offen zu gestalten, um damit ein Maximum an Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen, sowie auch für den Entscheidungsspielraum der Bevölkerung zu sichern. Dabei soll die Raumplanung immer etwas Nachhaltiges sein, wovon letzten Endes auch die Kinder unserer Kinder profitieren können.
Den Link zur Heimatliebe macht Lidia mit einer lateinischen Phrase eines griechischen Philosophen: „Ubi bene, ibi patria“ (wörtlich: „Wo es gut ist, dort ist Vaterland.“ – frei übersetzt: „Wo es schön ist, dort ist Heimat“). Sie selbst definiert Heimat als Beziehung zwischen Mensch und Raum; als Raum, in welchen wir hinein geboren werden und unsere frühen sozialen Erlebnisse stattfinden. Hierbei spricht sie auch unsere Identifikation mit diesem Raum an, als Ort, wo wir uns daheim fühlen. Da wir für unser Daheim nur das Beste wollen, sei es wichtig, aktiv diesen Raum zu gestalten. In der Schweiz seien wir in der luxuriösen Lage, mittels der direkten Demokratie direkt Einfluss auf die Entwicklung des Landes zu nehmen. Ziele, Wünsche und Vorstellungen können wir so direkt einbringen. In Bezug auf die Gemeindeebene nennt Sie hier die Möglichkeiten, mittels Gemeindeversammlungen, Mitwirkungsverfahren oder Workshops* auf raumrelevante Themen Einfluss zu nehmen. Für die zukünftigen Vorstellungen und Wünsche vom Leben in Birrwil benötige es Entscheidungen. Die Basis der Entscheidungen sei die gemeinsame Konsensfindung*.
Sie betont, dass wir uns um diesen Raum kümmern müssen, nicht nur mit kompetenten Fachpersonen, sondern mit allen, da jede und jeder eine Raumkümmerin oder ein Raumkümmerer sei. Es sei unmöglich, alleine etwas zu bewegen. In ihrer Masterarbeit habe sie klar aufzeigen können, dass nur die Projekte Erfolg hätten, welche von der breiten Bevölkerung getragen würden. Die Einbindung der Bevölkerung in den Prozess sei für das Gelingen von grosser Bedeutung. Es sollen diejenigen Menschen Ihre Gemeinde mitgestalten, welche dort ihr Daheim und ihre Heimat haben. Lidia Räber: „Es liegt also an uns allen, uns in diesen Prozess aktiv einzubringen, aus Liebe zu unserer Heimat.“
In Ihrer Masterarbeit konnte sie aufzeigen, dass der Dorfkern in Birrwil noch viel Entwicklungspotenzial aufweise. Dabei könne ein nächster Schritt sein, die Vorstellungen über die gewünschten, möglichen Entwicklungen im Dorfkern zu eruieren. „Wie kann dieser attraktiver werden und wie können Orte der Begegnungen geschaffen werden?“
Lidia schliesst mit der Aufforderung: „Nehmen wir die Möglichkeit wahr, uns einzubringen, seien wir Raumkümmerinnen und Raumkümmerer und betreiben aktiv Raumplanung aus Liebe zur Heimat!“
*Anmerkung des Autors: Einen echten Konsens zu finden, benötigt viel Zeit, Gespräche und Auseinandersetzungen jedes Einzelnen mit dem Thema. Dieser Anspruch ist sehr hoch, daher wird auch in Berbu öfters der Weg des Kompromisses als des Konsenses eingeschlagen. Einige Gemeinden arbeiten dabei seit längerer Zeit mit der Möglichkeit von Workshops oder Polit-Apéros, in welchen Meinungen, Ideen und Wünsche informell, aber strukturiert, aus der Bevölkerung abgeholt werden, um sie erst danach in die entsprechende rechtliche Form zu verpacken. Im Gegensatz dazu beginnt ein Mitwirkungsverfahren mit einem vorgefertigten Projekt, an welchem Änderungswünsche gemacht werden dürfen. Dies führt dann aber meist nicht zu einem Konsens, sondern zu einem Kompromiss. Insofern propagiere ich die von Lidia erwähnte Idee der Workshops (≠ Kommissionen), insbesondere immer dann, wenn Projekte nachhaltig sein sollten.
Zum Beitrag: Lidia mastert Berbu
Workshop statt Kommission? Wenn die Aufgabe lautet, ein 40seitiges Reglement so zu überarbeiten, dass es rund 200 Seiten übergeordnete Gesetzestexte implementiert und trotzdem noch auf die Eigenheiten des Dorfes eingeht, so liegt dies ausserhalb dessen, was an einem Workhop sinnvoll zu schaffen ist. Eine Kommission kann den nötigen Zeitaufwand leisten, um die Probleme und die freien Stellschrauben herauzuarbeiten und einen dokumentierten (und durch die Vielfalt der Mitglieder auch einigermassen abgestützten) Vorschlag zu machen. Das Mitwirkungsverfahren ist dann die Gelegenheit für alle, mit beschränktem Aufwand (z.B. auch via workshop) zu sagen: ich möchte mehr von diesem, weniger von jenem, und hier noch etwas Sahne. Ich hoffe, die Berbuer werden vom Mitwirkungsverfahren Gebrauch machen, „wenn es soweit ist“.
LikeGefällt 1 Person